Die streikbedingten Ausfälle am Frankfurter Flughafen aus BCM-Brille betrachtet

Am Freitag den 21. Februar traten die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes am Frankfurter Flughafen in einen 21-stündigen Warnstreik und haben damit den drittgrößten Flughafen in Europa beinahe lahmgelegt. Rund 1.500 Mitarbeiter waren an diesem verkehrsreichsten Tag der Woche für die Sicherheitsdienstleistungen eingeteilt. Rund 800 Mitarbeiter sollen sich an dem Warnstreik beteiligt haben. 800 Mitarbeiter waren in der Lage einen der weltweit größten Flughäfen beinahe lahmzulegen? Zu den Aufgaben der Luftsicherheitsassistenten zählt die Passagier- und Handgepäckkontrolle an den Sicherheitsschleusen, die jeder Passagier schon kennen- und vielleicht fürchten gelernt hat. Die rund 5.000 Luftsicherheitsassistenten in Frankfurt sind Mitarbeiter der FraSec Fraport Security Services GmbH. Frasec ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Fraport AG und erbringt mit über 3.700 Mitarbeitern Sicherheitsdienstleistungen am Flughafen Frankfurt, Hahn und sowie für andere Flughäfen.

Nur rund 800 Mitarbeiter haben einen weltweit bedeutenden Flughafen beinahe zum Stillstand gebracht. Aus der BCM-Brille betrachtet gar nicht verwunderlich. Nicht umsonst werden Mitarbeiter und Dienstleister im BCM als unternehmenskritische Ressource mit besonderem Augenmerk betrachtet. In vielen Branchen und Unternehmen ist es eine relativ kleine Gruppe von Menschen, die für den Geschäftsbetrieb unabdingbar und unersetzlich sind. Luftsicherheitsassistenten müssen eine behördliche Prüfung ablegen und werden von der Bundespolizei “beliehen”. Bei einem Ausfall können sie also nicht durch andere Mitarbeiter ohne diese Voraussetzungen ersetzt werden. In der Fliegerei geht nichts ohne Piloten, Crew und Luftsicherheit. Alle müssen über die entsprechende spezialisierte Ausbildung, Piloten neben der Fluglizenz über eine Zulassung für den jeweiligen Flugzeugtyp verfügen. Zudem muss die Crew zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar sein.

Im Rahmen der Business Impact Analyse (BIA) werden genau diese kritischen Ressourcen ermittelt. Zunehmend befinden sich diese Personen aber gar nicht mehr im eigenen Unternehmen. Sie sind durch Outsourcing zu Dienstleistern “gewandert”. Daher wird im Rahmen der BIA auch ein besonderes Augenmerk auf die kritischen Dienstleister für die Prozesse gelegt. Aus Sicht der Lufthansa war dies in diesem Fall nicht einmal der direkte Dienstleister Fraport, sondern ein Dienstleister des Dienstleisters. Im Fachjargon “Tier-2” in der Supply Chain. Es ist daher nicht ausreichend nur die direkten Dienstleister zu betrachten, um die Verfügbarkeit sicherzustellen. In der dahinterliegenden Lieferkette können Ausfälle und Unterbrechungen leicht zur vollständigen Unterbrechung der Lieferkette bis zum Endkunden führen. Der “umgefallene Sack Reis in China” kann dann leicht doch zu massiven  Wirkungen in Europa führen, wenn er auf ein Stromkabel eines kritischen Zulieferers irgendwo in der Lieferkette fällt. 42 Prozent der Ausfälle haben ihren Ursprung in der Lieferkette hinter der Tier-1- Ebene, so das Ergebnis der Supply Chain Resilience Study 2013 des Business Continuity Institute BCI.
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In den BCM-Strategien werden alternative Optionen für die kritischen Prozess und Ressourcen zu identifiziert:

  • kann der Prozess durch andere Mitarbeiter an anderen Standorten übernommen werden?
  • kann der Prozess (nicht die Mitarbeiter) an eine andere Lokation verlagert werden?
  • können Mitarbeiter aus anderen Bereichen / Organisationseinheiten verstärken?
  • können / dürfen Mitarbeiter aus Freizeit und Urlaub zurück beordert werden?

Bei Spezialisten-Stellen wird dies oftmals zu einer Herausforderung. Insbesondere im konkreten Fall, wenn eine ganze Berufsgruppe oder Branche in den Warnstreik getreten ist. Finden sich Mitarbeiter aus anderen Standorten, um die klaffenden Personallücken schließen zu können. Sind diese Mitarbeiter in der Lage (Entfernung, soziales Umferld etc.) und motiviert (“Streikbrecher”) dies auch zu übernehmen? Gibt es Regelungen für Überstunden und Einsätze außerhalb des regelmäßigen Arbeitsortes?

Die Bahn hat im Sommer 2013 große negative Schlagzeilen gemacht, als ein Personalengpass im Stellwerk Mainz zu massiven Zugausfällen und Verspätungen führte. Die Bahn hat reagiert und bildet nun zusätzliche Mitarbeiter aus, um eine Personalreserve zu haben. Leider musste es erst zu einem öffentlichkeitswirksamen Notfall kommen, bevor diese Maßnahmen getroffen wurden. Dies ist der leider immerwährende Konflikt zwischen Sicherheit und Kosten, den die Sicherheit oftmals verliert (aber dazu mehr später hier in den BCM-News).

Sind im Rahmen der BCM-Strategie Lösungsoptionen identifiziert, werden diese in der Notfallplanung konkretisiert und in Notfallplänen dokumentiert. Tests und Übungen, sowie reale Fälle zeigen dann, ob die Planung hält was sie verspricht.

Schön, wenn ein Notfall nach Plan abgearbeitet werden kann. Doch leider spielt uns da die Realität oftmals einen bösen Streich. Denn sie hält sich einfach nicht an unsere schön ausgearbeitete Planung. Dann ist Krisenmanagement gefragt. Im Krisenstab mit hoffentlich kompetenten, erfahrenen und abgebrühten Mitgliedern werden Entscheidungen getroffen und die Lage überwacht und gesteuert. Die interne und externe Kommunikation ist dabei immer ein wesentlicher Bestandteil der Krisenstabsarbeit.

Am Frankfurter Flughafen hat das Krisenmanagement der Fraport bereits reichlich Übung in solchen Ausnahmesituationen. Ursprünglich angetreten, um bei Flugzeugabstürzen in Aktion zu treten, stehen heute Ausnahmesituation durch extremes Wetter, Streiks oder Pandemien im Mittelpunkt der Arbeit. In den Krisenstabsräumen der Fraport, wo die PC´s ununterbrochen laufen und auf ihren Einsatz warten, war in diesen Tagen sicherlich professioneller Hochbetrieb (Grüße an die Kollegen, good job!). Es wurden mal wieder hunderte Feldbetten aufgestellt (aus den Schneezeiten ein gut geübtes Verfahren), ein Notlazarett musste für Passagiere mit Kreislaufproblemen eingerichtet werden. Und am Nachmittag musste die schwere Entscheidung getroffen werden, die Sicherheitsschleusen für Passagiere aus Frankfurt zu schließen. Nur Umsteiger kamen noch weiter (etwa 60 Prozent der Passagiere in Frankfurt), während die Zusteiger aus Frankfurt auf die Bahn umsteigen mussten, die rund 3.000 von der Lufthansa ausgegebenen Hotel-Gutscheine der Lufthansa in Anspruch nahmen oder gar auf einem der Feldbetten die Nacht verbrachten.

Wer schon eine Krise bewältigen musste, weiß dass nach der heißen Phase nicht die Phase der Belobigung, Ordensverleihung oder gar Gehaltserhöhungen folgt, sondern die harte Arbeit der Nachbetrachtung – ganz harmlos “Lessons Learned” genannt. So auch in diesem Fall, als die Sicherheitsmitarbeiter am Freitag um 23:00 Uhr ihren Warnstreik beendeten. Nach einer Mütze Schlaf geht es an die Aufarbeitung und Dokumentation der Ereignisse. Management, Revision und Wirtschaftsprüfer wollen einen Bericht. Auch Versicherungen schalten sich ein, wenn Versicherungsleistungen in Anspruch genommen werden.

Jede Krise verläuft anders und immer hätte etwas besser gemacht werden können. Leider richten sich die Augen der Presse und Öffentlichkeit oftmals auf diese Tatsachen und nicht auf die geleistete Arbeit und Mühen, um Schlimmeres zu verhindern. Aber Krisenmanager zeichnet ja aus, dass sie ein dickes Fell haben und sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen. Auch bei dem Warnstreik in Frankfurt gab es massive Kritik am Krisenmanagement, vor allem an der Kommunikation. Sicherlich ein Thema für die Lessons Learned der Krisenmanager am Frankfurter Flughafen. Und mit Sicherheit wird dies das nächste Mal besser klappen, dafür klemmt es dann an anderer Stelle. Was langweilig wäre eine Krise, wenn wir sie nicht spüren würden und darüber schreiben könnten?

 

 

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