Nur ein einziger ganz simpler Test hätte genügt …

“Jedem war bewusst, dass man zur Kühlung eines Atomreaktors Strom benötigt und dass es ohne Kühlung zur Kernschmelze kommt.” (…). “Meine Mitarbeiter brachten ein Whiteboard ins Arbeitszimmer und zeichneten die aktuellen Positionen der Stromversorgungsfahrzeuge ein, die sich aus verschiedenen Richtungen möglichst schnell auf Fukushima Daiichi zubewegten.” (…) “Irgendwann kam dann die Idee auf, ein Hubschrauber der Selbstverteidigungskräfte könnte doch ein Stromversorgungsfahrzeug durch die Luft transportieren”.

“Die verzweifelt zur Verfügung gestellten Stromversorgungsfahrzeuge waren aus vielerlei Gründen, die wir später erfuhren, nutzlos: Die Stecker der Fahrzeuge hatten nicht die richtige Spezifikation und konnten nicht angeschlossen werden, die Kabel waren nicht lang genug, der Stromverteiler war nicht zu verwenden usw. usf.”.

Naoto Kan, Premierminister von Japan vom 4. Juni 2010 bis 2. September 2011.

Teile von ein paar Euro hätten beinahe zu einer nationalen Tragödie geführt, als nach dem Tsunami in Japan das Atomkraftwerk Fukushima havarierte. Ein einfacher Test hätte die Probleme verhindern können. Doch alle wähnten sich sicher, denn ein solche Katastrophe konnte ja nicht passieren …

Naoto Kan zeichnet in seinem Buch “Als Premierminister während der Fukushima-Krise” ein schonungloses Bild des Krisenmanagments während der Bewältigung der Katastrophe. Glück und Zufälle retteten Japan vor einer nationalen Tragödie: “Es kann nur Glück gewesen sein”, so Kan.

Ein sehr lesenswertes Buch über das Krisenmanagement aus Sicht des verantwortlichen Premierministers.

 

Erdbeben der Stärke 6 im Norden Japans

Im Norden Japans gab es ein schweres Erdbeben der Stärke 6. Das Epizentrum des Bebens befand sich in der Region, in der ein Beben im März 2011 den Tsunami mit der anschließenden Havarie des AKW Fukushima auslöste. Der Betreiber des AKW Fukushima meldete nach dem Erdbeben keine Störungen. Eine Tsunamiwarnung wurde nicht herausgegeben.

Tepco kämpft derzeit im AKW Fukushima mit riesigen Mengen radioaktiv verseuchtem Wasser. Täglich sind 100 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser abzupumpen und in Behältern sicher zu lagern. Tepco hat hierzu enorme Lagerkapazitäten in Fukushima aufgebaut. Doch die Speicher mit einer Kapazität von 380.000 Tonnen sind in absehbarer Zeit voll und eine Lösung nicht in Sicht.

Zwei Jahre nach der Katastrophe in Japan

… gelten immer noch über 2.000 Menschen als vermisst

… leben rund 315.000 Menschen in Notunterkünften

… sind noch immer nicht alle Leckagen im AKW Fukushima gefunden, aus denen radioaktives Material ins Meer gelangt

… wird es noch Jahrzehnte dauern, das zerstörte AKW in Fukushima abzubauen

… gibt es immer noch Spannungen zwischen Mitarbeitern, die dageblieben sind und denen, die “geflohen” sind.

Die 3/11-Katastrophe hat Japan nachhaltig getroffen, Auswirkungen auf die ganze Welt gehabt und sollte uns als Mahnung immer im Gedächtnis bleiben.

Eine völlig unzureichende Katastrophenvorsorge und ein miserables Krisenmanagement der Betreiber des AKW in Fukushima haben aus einer Naturkatastrophe ein “man-made disaster” gemacht.

Japan muss mit einer 34-Meter Welle bei einem Tsunami rechnen

Japans Pazifik-Küste kann nach neuesten Experteneinschätzungen von einer 34 Meter hohen Tsunami-Welle getroffen werden. Diese neue Einschätzung nach dem Tsunami von März 2011 übertrifft die bisherige Prognose von 20 Metern deutlich. Im März 2011 hatte ein Erdbeben eine Wellenhöhe von 14 Metern erzeugt. Diese Welle hatte die Havarie des AKW in Fukushima ausgelöst und weite Teile der Nordostküste Japans zerstört. Das AKW war nur eine Wellenhöhe von 6 Metern ausgelegt. Die Experteneinschätzung erfolgte im Auftrag der Regierung. Der Report ist auf einer Webseite der Regierung veröffentlicht.

[USA Today]

Japan gedenkt der Opfer der Katastrophen vom 11. März

Vor einem Jahr um 06:46 Uhr MEZ (14:46 Uhr Ortszeit) traf Japan die dreifache Katastrophe. Hier die erste Meldung von dem Unglück in den BCM-News. Das Ausmaß der Katastrophe war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im geringsten abzusehen. Fast 20.000 Menschen verloren ihr Leben und es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die Folgen der Nuklearkatastrophe beseitigt sein werden. In Japan wurde heute früh eine Schweigeminute für die Opfer eingelegt. Kaiser Akihito nahm in Tokio an einer Gedenkzeremonie statt. Vor der Zentrale von Tepco versammelten sich Demonstranten um gegen die Nutzung der Kernkraft zu demonstrieren. Es gab verheerende Fehler und Versäumnisse in der Notfallvorsorge für die AKW und ein nicht funktionierendes Krisenmanagement nach der Katastrophe, wie erste Berichte eindeutig belegen. Die eiserne, weltweit bewunderte Disziplin der Japaner hat eine landesweite Katastrophe und Instabilität der gesamten Nation verhindert. Man stelle sich vor, in Deutschland gäbe es 250 Kilometer von Berlin entfernt eine schwere Havarie eines AKW. Weltweit folgte nach dem Nuklearunglück ein Nach- und Umdenken in der Energiepolitik. Für das Business Continuity Management lautet die Erkenntnis einmal mehr, dass auch das scheinbar Unmögliche bedacht werden muß. Statistisch geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten dürfen nicht dazu führen, dass elementare Risiken nicht bedacht werden. “Schwarze Schwäne” gibt es überall.

Fukushima: Japans Regierung plante die Evakuierung von Tokio

Die japanische Regierung räumt inzwischen ein, dass es einen geheimen Plan für die Evakuierung der 36-Millionen-Metropole Tokios gab. Im schlimmsten Szenario wären die Menschen in einem Radius von 170 Kilometern um die havarierten Reaktoren zwangsevakuiert worden. Für einen Radius von 250 Kilometern wäre zu einer Evakuierung geraten worden. Dieses Schreckensszenario wäre nach einer Explosion des Reaktors 1 und einer Kernschmelze im Abklingbecken des Reaktors 4 wegen des Ausfalls der Kühlung Realität geworden. Der Plan wurde geheim gehalten, um eine Panik in der Bevölkerung zu verhindern. In Tokio war die Verunsicherung über die tatsächliche Lage und die Verärgerung über die schlechte Informationspolitik der Regierung groß. Doch nur wenige der Bewohner der Metropole haben die Stadt tatsächlich verlassen. Frauen und Kinder wurden per Bahn und Flugzeug in den Süden verfrachtet, doch das Arbeitsleben in Tokio ging weiter. Für die wenigen Japaner und die vielen ausländischen Mitarbeiter, die sich in Sicherheit gebracht haben, gab es dann zum Teil größere Akzeptanzprobleme bei der Rückkehr. Schliesslich war man in der Not auch ohne sie ausgekommen. Die Katastrophe wird Japan noch lange beschäftigen. Immer wieder tauchen radioaktive belastete Nahrungsmittel auf. Die Bewohner können noch nicht in die Sperrgebiete zurückkehren. Die Reisernte muss mit Planen vor Radioaktivität geschützt werden. Die japanische Regierung hat jetzt die Laufzeit von AKW auf 40 Jahre begrenzt. Fukushima wäre unter diese Regelung gefallen und einige andere Meiler werden in den nächsten Jahren stillgelegt werden müssen.  TEPCO droht die Verstaatlichung. Der fahrlässige Umgang mit Risiken rächt sich jetzt für die gesamte Industrie.

Erkenntnisse zum Krisenmanagement des Zwischenberichts zu Fukushima

Die in englisch bereits vorliegende Zusammenfassung des Untersuchungsberichts zu Fukushima legt schwerwiegende Mängel in der Notfallvorsorge und im Krisenmanagement offen. 

Fehlende Notfallvorsorge für Tsunamis und Stromausfälle:

Aus Berechnungen war TEPCO mindestens seit 2008 bekannt, dass im Fall eines Tsunamis die Höhe der Wellen mehr als 15 Meter betragen kann. TEPCO hat die Berechnungen allerdings nicht ernst genommen und keine entsprechende Vorsorge getroffen.

Für den Ausfall der Stromversorgung gab es keine Notfallpläne, die Mitarbeiter hatten keine Ausbildung hierfür und notwendiges Equipment war nicht vor Ort vorhanden. 

Vorsorge für das Krisenmanagement:

Die Krisenstabsräume vor Ort waren nicht auf ein Zusammentreffen von Erdbeben und Reaktorunfall vorbereitet und waren daher bei dem Unglück nicht nutzbar. Die Gebäude waren nicht strahlensicher ausgelegt, obwohl sie für den Einsatz bei einem Nuklearunfall vorgesehen waren.

Versagen der Aufsichtsorgane:

Die Einhaltung adäquater Vorsorgemaßnahmen für Katastrophen durch TEPCO wurden von den Aufsichtsbehörden gar nicht oder  nur unzulänglich überprüft. 

Information und Kommunikation im Rahmen des Krisenmanagements:

Information und Kommunikation nach Eintritt der Katastrophe im Rahmen des Krisenmanagements hat offensichtlich völlig versagt. Durch den Stromausfall fiel die Kommunikationsinfrastruktur aus, da es auch keine Notstromversorgung gab. Organisatorisch versagte die Kommunikation zwischen zwischen dem strategischen und taktischen Krisenstab im Ministerium, obwohl sich beide Krisenstäbe im gleichen Gebäude befanden. Zwischen diesen Krisenstäen und dem Einsatzstab vor Ort funktionierte die Kommunikation ebenfalls nicht. Mit der Folge, dass der Krisenstab vor Ort selbständig Entscheidungen zum weiteren Vorgehen treffen musste. Das fehlende Lagebild sowie die Information der Öffentlichkeit wird im Zwischenbericht als “major concern” bezeichnet.

Fehlbedienungen der Reaktoren nach dem Unglück:

Auf Grund fehlender oder fehlerhafter Informationen des Bedienungspersonals über die aktuelle Lage kam es zu Fehlbedienungen bei der Steuerung der Wasserversorgung des Reaktors, was die Lage weiter verschlimmert hat.

Die Ergebnisse des Untersuchungsberichts machen auf mich den Eindruck, dass hier grob fahrlässig mit existentiellen Risiken umgegangen wurde. Bei den eingetretenen Risiken handelt es sich keineswegs um “schwarze Schwäne”, mit denen nicht zu rechnen war. Im Gegenteil, die Risiken waren sehr gut bekannt. Die Kombination der fehlenden Vorsorge von TEPCO mit einem völligen Versagen der Aufsichtsbehörden hat diese Katastrophe erst möglich gemacht. Eine einzige Übung mit diesem Szanario hätte genügt diese Mängel rechtzeitig aufzudecken. Aber von einer Übung ist im Zwischenbericht nicht die Rede.

Radioaktive Hotspots in einem Vorort von Tokio

In einem Vorort von Tokio, 200 Kilometer von Fukushima entfernt, wurde eine stark erhöhte Radioaktivität auf einem unbebauten Grundstück festgestellt.  Japanische Experten vermuten, dass die erhöhte Radioaktivität aus mit Caesium kontaminierten Regenwasser stammt, das kurz nach dem 11. März abgeregnet wurde. Es wurde eine Radioaktivität von 57,5 Mikrosievert / Stunde gemessen. Der Grenzwert in der Evakuierungszone liegt bei 20 Mikrosievert / Jahr. Die Radioaktivität hatte sich in dem Regenwasser über die Zeit konzentriert und den Hot Spot gebildet. Experten vermuten weitere solche radioaktiven Hot Spots. Auf Grund der räumlichen Konzentration konnte der Hot Spot dekontaminiert werden. Evakuierungen mussten nicht vorgenommen werden. Der Hot Spot wurde durch einen Bewohner gefunden, dessen Dosimeter bei dem Grundstück ausschlug. Es soll jetzt gezielt und strukturiert nach weiteren radioaktiven Spots gesucht werden.

TEPCO hat Reaktor Nummer 1 in Fukushima eingehaust

TEPCO hat den schwer beschädigten Reaktor Nummer 1 jetzt mit Polyester-Platten eingehaust. Die Einhausung soll weiteren Austritt von Radioaktivität verhindern. Hierzu wurde ein Ventilationssystem installiert, das den Austritt von Radioaktivität auf ein Zehntel der ursprünglichen Menge reduzieren soll. Die Einhausung hat eine Dimension von 47 mal 42 Meter und eine Höhe von 54 Meter. Die Einhausung soll zwei Jahre halten. In Tschernobyl wurde der Reaktor nach der Havarie mit einem “Beton-Sarg” verschlossen, der jetzt nach 25 Jahren allerdings mit sehr hohem Aufwand von rund 740 Millionen Euro erneuert werden muß. Die Erneuerung wird von internationalen Geldgebern finanziert.

[The Asahi Shimbun]

Shutdown eines Reaktors im Süden Japans nach Problemen mit der Kühlung

Im Süden Japans ist ein Reaktor des AKW Genkai nach Problemen mit der Kühlung heruntergefahren worden. Der Betreiber Kyushu Electric erklärte, dass keine Strahlung ausgetreten sei und es sich um einen kleinen Zwischenfall gehandelt habe. Mittlerweile sind nur noch 10 von 54 Reaktoren in Japan am Netz. Massive Stromeinsparungen und Importe aus dem Ausland helfen den Japanern diesen schwierigen Engpass zu überstehen. Viele der Reaktoren werden nach der Katastrophe von Fukushima noch überprüft und warten auf ihre Freigabe.

Die japanische Regierung hat ungeachtet der Sorgen vor radioaktiver Strahlung die Evakuierung in einer Zone mit fünf Städten aufgehoben. 100.000 Menschen wurden nach der Havarie des AKW in Fukushima am 11. März 2011 evakuiert und sind bis heute nicht in ihre Heimat zurückgekehrt.

TEPCO, Betreiber des havarierten AKW in Fukushima, hat in einem internen Bericht eingeräumt, dass  die eigenen Handbücher völlig nutzlos zur Bewältigung der Havarie waren.