Business Continuity Management neu denken

Im Lauftraining haben wir unsere Lieblingsrunde. Wir kennen die Steigungen und Gefälle, haben unsere Wegmarken zu Orientierung und Motivation sowie Zwischenzeiten für das Benchmarking. Manchmal sollte mal allerdings einfach seine Lieblingsrunde in umgekehrter Richtung laufen, um wirklich zu wissen wo man steht und um Routine zu vermeiden. Welchen Bezug hat dies zum Business Continuity Management?

Unsere Lieblingsrunde ist der von mir sehr geschätzte BCM-Lebenszyklus, den wir brav vom Beginn bis zum Ende über Business Impact Analyse, BCM Risk Assessment, Notfallplanung sowie Tests und Übungen durchlaufen. Es ist an der Zeit diese Routine zu brechen, um zu sehen wo wir wirklich stehen. In den BCM-Foren sind es immer die gleichen Problemstellungen, die sich insbesondere um die mangelnde Aufmerksamkeit des Managements für das BCM sowie Feinheiten der wildwuchernden BCM-Begriffs-, Tool- und Methodenvielfalt drehen. Drehen wir zur Überprüfung unserer BCM-Kondition den BCM-Lebenszyklus einfach einmal um und beginnen beim Ende des Zyklus und gehen diesen bis an den Anfang zurück.

Im Zieleinlauf des BCM Lebenszyklus kennen die Mitarbeiter im Falle eines Notfalls die Prozesse, Routinen und Regeln, nach denen zu handeln ist, um Schäden zu vermeiden.

Im Flugzeug wissen die Passagiere aus den Sicherheitsanweisungen, wie sie die Notausstiege finden, Stewardessen haben trainiert, wie sie auch im Dunkeln die Türen entriegeln, die Notrutschen aktivieren und die Passagiere in Sekunden zu den Notausstiegen leiten können. Im Cockpit arbeiten Pilot und Co-Pilot Checklisten ab, um keinen wichtigen Punkt zu übersehen. Hierzu werden die Verfahren zuvor im Simulator immer wieder trainiert bis die Abläufe internalisiert sind.

Wenn in einem Unternehmen die Notfallprozeduren genau so funktionieren wie in dem Beispiel des Flugzeugs, ist das Ziel erreicht und es gilt nun, die Verfahren aus Lessons learned realer Notfallsituationen und Übungen stets weiter zu optimieren.

Irgendwann zuvor wurden diese Prozeduren am Schreibtisch entwickelt, theoretisch getestet und dann dokumentiert. Ein notwendiger Entwicklungsschritt. Allerdings werde ich mit keiner Airline fliegen, bei der Stewardessen erst in einem umfangreichen Manual nachlesen müssen, wie die Notausstiege zu öffnen sind. Viele hundert Seiten Notfallpläne und -prozeduren werden in einer Notfallsituation (hoffentlich) niemals gelesen.

In einem Schritt zuvor wurden die Prioritäten für Notfälle im Flugzeug festgelegt. Oberste Priorität hat die Sicherheit der Passagiere und der Crew. Das Material hat keine Priorität. Dies ist ein Fall für die Versicherungen.

Im Business Continuity Management schauen wir uns das Unternehmen hinsichtlich der Prioritäten an. Viele überlebenswichtige Ressourcen und Prozesse sind leicht erkennbar. Natürlich schützen wir die Mitarbeiter, die IT-Systeme, IT-Anwendungen und Daten. In der Business Impact Analyse (BIA) werden die Prioritäten für weitere Produkte, Services und Prozesse festgelegt und abgestimmt, die wichtig für den Fortbestand des Unternehmens sind.

Im Risk Assessment schauen wir uns an, welche Risiken auf diese elementaren Ressourcen des Unternehmens einwirken können.

Bei einem “Lauf” in umgekehrter Richtung durch den BCM-Lebenszyklus bekommen wir plötzlich ein viel besseres Gefühl für unsere BCM-Fitness als in der Routine zuvor. Arbeiten unsere Piloten die Checklisten professionell und routiniert ab, kennen und können die Mitarbeiter die Prozeduren für Notfälle, ohne vorher Handbücher wälzen zu müssen?

Oftmals habe ich den Eindruck, dass BCM in administrativer Routine oder Eifer für Exzellenz an der falschen Stelle versackt. Dann ist dem Management der Wert eines BCM auch nicht zu vermitteln.

Es ist an der Zeit, Business Continuity neu zu denken und stärker auf Effizienz und Effektivität auszurichten. Dies verringert die Einstiegshürden und erhöht die Akzeptanz im Unternehmen – bei den Mitarbeitern und beim Management.

be prepared

Matthias Hämmerle

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