Sackgasse BIA?!

Sackgasse BIA? – was für eine Frage, wo doch gerade dieser schöne neue ISO-Standard für die BIA veröffentlicht wurde (ISO/TS 22317:2015). Um es gleich vorwegzuschicken, ich gehöre nicht zu der Fraktion, die die BIA als Zeitverschwendung betrachten. Im Gegenteil, ich halte die Business Impact Analyse für die wesentliche Phase im BCM-Lebenszyklus, um die nachfolgenden Phasen Taktik / Strategie, Notfallplanung sowie Tests und Übungen effektiv und effizient durchführen zu können. Ob eine BIA zum Katalysator oder Bremsklotz im BCM-Lebenszyklus wird, entscheidet der Anwender und nicht die BIA selbst. Hierfür erst einmal “zurück auf Los”. Die BIA gehört in die Phase “Verständnis des Geschäfts”. Ziel der BIA ist es, die geschäftskritischen Prozesse und deren Ressourcen zu identifizieren. Perfekt, wenn man hierfür auf ein gut strukturiertes Prozessmodell, Prozesskostenrechnungen für die Berechnung des  finanziellen Impacts, IT-Service-, Produkt-, Dokumenten-, Dienstleister- und sonstige Verzeichnisse in jeweils aktuellem Stand zurückgreifen kann. Doch leider zeigt sich auch hier die Welt selten von seiner perfekten Glanzseite. Die Informationen sind entweder gar nicht (=der einfache Fall), bruchstückhaft oder in undefiniertem Zustand vorhanden. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt wie “gereift” diese Themen eigentlich sind. Mit dem Prozessmanagement habe ich mich bereits Ende der 80er in meiner Diplomarbeit bei IBM auseinandergesetzt! Aber jetzt kommt glücklicherweise ja das BCM mit der BIA. Die Prozesse werden modelliert, Prozesskostenrechnungen für den finanziellen Impact durchgeführt und die fehlenden Verzeichnisse erstellt. Alles wird gut. Aber stop – es ist schon spät und wir sind in einen süßen Traum gefallen! Hätten wir im BCM unbegrenzt Zeite – und Budget – wäre ich der Erste, der sich all dieser Themen annehmen würde. Denn jedes dieser Themen ist spannend und herausfordernd – und manchmal zäh bis hin zu einer Lebensaufgabe. Aber BCM bildet keine Ausnahme: keine Zeit und kein Budget. Was nun? Back to the basics: Verständnis des Geschäfts, Identifikation der kritischen Prozesse und deren Ressourcen. Pragmatismus ist gefragt und eine 80-Prozent-Lösung für den Start, die dann mit jeder Aktualisierung verfeinert wird. Statt eines Prozessmodells tun es erst mal Aufgabenlisten. Finanzielle Impactbewertungen dienen nicht der Prozesskostenrechnung, sondern der Einschätzung der Kritikalität von Prozessen – auch im Vergleich untereinander. Schadenskategorien sind hierfür vollkommen ausreichend, statt einer Ermittlung auf Euro- und Centbasis, die eine falsche Genauigkeit vortäuscht. Im Gegensatz zum Risikomanagement werden finanzielle Schäden nicht addiert und multipliziert, sondern “nur” zur Kritikalitätsbewertung der Prozesse benutzt. Die Verzeichnisse und Kataloge werden Schritt für Schritt zusammengetragen und mit jedem BIA-Durchlauf verfeinert. So ergibt sich eine arbeitsfähige Grundlage für die BIA. Im ersten schritt nicht perfekt, aber die BIA ist nicht Selbstzweck, sondern dient als Grundlage für die Notfallplanung. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und die BIA reift wie ein guter Wein. Haben Sie Mut zu Pragmatismus! Die Königsdisziplin im BCM ist nicht die BIA, sondern die Tests und Übungen.

Be prepared

Matthias Hämmerle

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