Was gehört in einen Geschäftsfortführungsplan – und was nicht

In diesem Artikel sind ein paar Tips und Hinweise zur Erstellung von Geschäftsfortführungsplänen zusammengestellt. Inspiriert hierzu hat mich der Artikel im Blog von Stoneroad “12 Things NOT to Include in Your BCM / DR Plan“. Diese wichtigen und richtigen Hinweise möchte ich daher um die Punkte ergänzen, die aus meiner Sicht bei der Geschäftsfortführungsplanung berücksichtigt werden sollten.

Welches sind die Ziele einer Geschäftsfortführungsplanung?

Zunächst einmal ist es wichtig sich klar zu machen, wozu eine Geschäftsfortführungsplanung dient. Der Geschäftsfortführungsplan ist die Handlungsanleitung für Notfälle und Krisen und muss den Betroffenen und Beteiligten den roten Faden für die ersten Minuten, Stunden und vielleicht Tage geben. Den Vergleich mit einer Gebrauchsanweisung finde ich hierbei sehr treffend. Wir sind mit einem neuen Gerät / einer neuen Situation konfrontiert und wollen eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, um Sicherheit in der Situation zu erhalten. Gerade in den ersten Minuten und Stunden ist dies entscheidend für den Erfolg der Bewältigung des Notfalls. Eine Gebrauchsanleitung hilft in erster Linie die ersten Hürden bei der Bedienung zu nehmen. Beim Durchlaufen einer guten Gebrauchsanleitung merkt man dann recht schnell “wie der Hase läuft” und kann Schritte überspringen oder intuitiv ausführen. Hierzu muss die Gebrauchsanleitung strukturiert und logisch aufgebaut sein. Man kann sich strukturiert Punkt für Punkt durcharbeiten, mancher wird aber auch von hinten anfangen und zunächst einmal das Ergebnis und einige Explosionszeichungen studieren und dann zwischen den Anleitungspunkten hüpfen. Beim zweiten Schrank der schwedischen Möbelmarke mit dem blauen Logo geht es dann schon fast ohne Anleitung. All diese Funktionen muss auch ein guter Geschäftsfortführungsplan erfüllen – nicht mehr und nicht weniger. Wie es gruselige und sehr gute Gebrauchsanleitungen gibt, variiert in dieser Bandbreite auch die Qualität von Geschäftsfortführungsplänen. Ein wichtiges Merkmal guter Geschäftsfortführungspläne ist die Konzentration auf das Wesentliche. Stellen Sie sich vor, Sie öffnen eine Gebrauchsanleitung und müssen erst einmal seitenweise lesen, wie toll der Produzent des Produkts ist, welche Qualitätsmanagementverfahren es besitzt und warum Gebrauchsanweisungen wichtig sind. Alles wichtige Punkte – aber nicht in der Gebrauchsanweisung! Ich habe beim bereits zitierten schwedischen Möbelhaus noch nie derlei Inhalte vorgefunden – und auch nie vermisst. Dafür gibt es die Homepage des Unternehmens und andere Broschüren. Neben den Geschäftsfortführungsplänen gibt es die BCM-Policy, Dokumentationen für Methoden und Verfahren, das QM-Handbuch und so weiter. Die 12 wichtigsten Elemente, die nicht in einen Geschäftsfortführungsplan gehören hat Stoneroad in diesem Artikel sehr gut beschrieben. Neben Inhalten, die in andere Dokumente gehören zählen hierzu insbesondere auch die Namen von Personen und deren Kontaktdaten. Die Arbeit mit Rollen statt Namen macht den Geschäftfortführungsplan weniger änderungsanfällig. Zumal jede Änderung einen Freigabeprozess nach sich zieht sowie eine Historisierung und Archivierung der Versionen. Denn Geschäftsfortführungspläne unterliegen den Aufbewahrungsregeln analog der Dokumente aus dem Rechnungswesen (10 Jahre).

Aus welchen Inhalten besteht eine Geschäftsfortführungsplanung?

Es sind die “W-Fragen”, die in einem Geschäftsfortführungsplan beschrieben werden. Wer macht was, mit wem, wann, womit, wie  und wo. Ausgangspunkt der Geschäftsfortführungsplanung sind die Ergebnisse der Business Impact Analyse und der BCM-Strategien.

Die Gliederung der Geschäftsfortführungsplanung will gut überlegt sein. Es gilt hierbei die Phasen eines Notfalls

  • Alarmierung, Eskalation, Kommunikation
  • Einleitung des Notbetriebs
  • Durchführung des Notbetriebs
  • Wiederanlauf / Rückführung in den Normalbetrieb

sowie die BCM-Szenarien

  • Ausfall Gebäude, Arbeitsplätze
  • Ausfall Personal
  • Ausfall IT
  • Ausfall technischer Anlagen / Fertigungsanlagen
  • Ausfall Dienstleister
  • Ausfall physischer Dokumente bzw. elektronischer Daten

zu berücksichtigen. Aus meiner Erfahrung hat sich der Aufbau nach Szenarien bewährt. Kritiker führen an, dass es ja auch Kombinationen dieser Szenarien geben kann. Dies ist natürlich korrekt. Doch die Berücksichtigung aller Kombinationen würde eine große Menge an Plänen mit redundantem Inhalt ergeben. Besser ist es, in einem Notfall die Pläne zu kombinieren.

Für die in der BIA identifizierten kritischen Prozesse und deren Ressourcen werden Ausweichlösungen und Ersatzverfahren “workarounds” auf Basis der BCM-Strategien beschrieben. Für das Szenario “Ausfall Gebäude / Arbeitsplätze” gehört hierzu zum Beispiel die Festlegung und Dokumentation der Einsatz der Strategien für die unterschiedlichen Prozesse und Arbeitsplatztypen:

  • dedizierte Ausweicharbeitsplätze (hot stand by)
  • Nutzung vorhandener Arbeitsplätze (shared seats,Verdrängung unkritischer Prozesse)
  • Prozessverlagerung an einen anderen Standort (zum Beispiel bei gleichartigen Prozessen an mehreren Standorten)
  • Remote-Lösungen (Heimarbeitsplätze, VPN-Zugang, Bring your own Device etc.).

Neben der spezifischen BCM-Strategie gehört in den Geschäftsfortführungsplan die strukturiert Handlungsanleitung zur Umsetzung der Strategie (Einleitung des Notbetriebs). Dies ist die konkrete Gebrauchsanleitung im Geschäftsfortführungsplan:

  • Welche Ausweicharbeitspätze sind Arbeitsplätzen zugeordnet (Standort, Gebäude, Arbeitsplatznummer)
  • Wie kommen die Mitarbeiter an die Ausweicharbeitsplätze (ggf. Anfahrtskizzen in der Anlage)
  • Wie sind die Ausweicharbeitsplätze ausgestattet
  • Wie sind die Ausweicharbeitsplätze in Betrieb zu nehmen (Druckerzuordnungen, Konfigurationen etc.)
  • Wo befinden sich wichtige Arbeitsmittel (Drucker, Fax, Büromaterial).

Die Beschreibungen zum Notbetrieb beinhalten die reduzierten und abweichenden Prozesse im Vergleich zum Normalbetrieb. Insbesondere ist es wichtig darzustellen, auf welche Produkte, Prozesse, Aktivitäten im eingeschränkten Notbetrieb verzichtet werden soll. Mit der Freigabe der Geschäftsfortführungsplanung werden diese möglicherweise gravierenden Einschränkungen des Geschäftsbetriebs im Notfall von den Verantwortlichen genehmigt.

Im Rahmen des Wiederanlaufs in den Normalbetrieb werden die erforderlichen Nacharbeiten beschrieben, die durch den eingeschränkten Geschäftsbetrieb erforderlich werden.

In Anlagen der Geschäftsfortführungspläne gehören Anfahrtpläne, Kontaktlisten und spezifische Anleitungen sowie ergänzende Dokumentationen.

Welche Geschäftsfortführungspläne gibt es?

Geschäftsfortführungspläne können erstellt werden für

  • Standorte
  • Organisationseinheiten
  • Geschäftsprozesse
  • Ressourcen (IT, Dienstleister).

Der Aufbau der Geschäftsfortführungsplanung ist hierbei abhängig von der Organisationsstruktur des Unternehmens und sollte dem Aufbau der Business Impact Analyse folgen. Wurde die BIA geschäftsprozessorientiert aufgebaut, empfiehlt ich die Erstellung der Geschäftsfortführungspläne für die identifizierten kritischen Geschäftsprozesse.

Hier kann der Einsatz eines BCM-Tools Vorteile bringen, indem ein und derselbe Geschäftsfortführungsplan aus unterschiedlichen Sichten (Prozess, Standort, Organisationseinheit) betrachtet werden kann und aus dem zentralen Dokument diverse Pläne, zum Beispiel für Standorte, erzeugt werden können.

Wie soll die Geschäftsfortführungsplanung beschrieben werden?

Hier sei noch einmal an das Ziel der Geschäftsfortführungsplanung erinnert. Eine Gebrauchsanleitung, die bei Notfällen einen strukturierten Handlungsleitfaden für die nächsten Minuten, Stunden und Tage gibt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass  Geschäftsfortführungspläne kein tägliches Arbeitsinstrument sind. Oftmals kommen die beteiligten Rollen maximal einmal in Jahr mit dem Dokument in Berührung. Im Notfall werden manche Personen zum ersten Mal auf dieses Dokument treffen. Wie die Aufbauanleitung für den ersten Wandschrank des schwedischen Möbelhauses. Textwüsten in den Dokumenten führen dazu, dass sie ganz schnell  beiseite gelegt werden. Neben einer Gliederung, die ein schnelles Auffinden der richtigen Passage erleichtert, hat sich die Darstellung in tabellarischen Darstellungen oder als Grafiken bewährt. Ein gute Struktur erleichtert zugleich die Konzeption der Tests und Übungen für die  Geschäftsfortführungspläne erheblich.

Regelmäßige Übungen auf Basis der Geschäftsfortführungspläne dienen auch dazu, den Aufbau zu optimieren und sich mit den Plänen vertraut zu machen. Im Idealfall ist es wie mit dem zweiten Schrank des Möbelhauses, der bereits nahezu ohne Unterstützung der Aufbauanleitung aufgebaut werden kann, da das Konzept und Verfahren bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist. Dann hat die Aufbauanleitung / der Geschäftsfortführungsplan den Zweck erfüllt.

Und dann bleibt zu hoffen, dass dies alles Theorie bleibt!

Unter dem Menüpunkt “Know How” finden Sie in der Präsentationssammlung auch ein Dokument zur Geschäftsfortführungsplanung. Weitergehende Informationen mit Beispielgliederungen für Geschäftsfortführungspläne erhalten Sie auch im kostenfreien BCM-Standard BSI 100-4 des BSI.

Be prepared!

Matthias Hämmerle MBCI
Matthias Hämmerle

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